Wissensvorsprung bringt in vielen Bereichen erhebliche Marktvorteile – beispielsweise, wenn ein Unternehmen die Rezeptur für eine bestimmte Arznei oder eine schützenswerte Erfindung
besitzt. Der Schutz dieses Wissens ist in diesen Fällen von größter Bedeutung, denn es ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil oder ein Unique Selling Point (USP). Dies gilt in vielerlei Hinsicht sicherlich auch für individuelle Softwarelösungen, die Firmen häufig mit sehr großem Aufwand entwickeln lassen und selbst prozessual steuern.
In vielen Branchen und Bereichen zählen digitale Lösungen allerdings keinesfalls zu den USPs einzelner Unternehmen, sondern sind schlichtweg notwendig, um die Vielzahl vorhandener Daten richtig zu managen und für unternehmerische Entscheidungen und Berichte jederzeit
an jedem Ort verfügbar zu halten. Aus diesem Grund hat sich der Gedanke der Sharing Economy entwickelt, in der geteiltes Wissen mehr wert ist als Konzentration von Know-how bei jedem Marktplayer allein. Gerade beim Thema Weiterentwicklung und bei Anpassung und Umsetzung neuer Ideen setzen viele Unternehmen mittlerweile auf das Wissen und den Beitrag ihrer Kunden oder ihrer User-Community. Bekannte Beispiele sind die Online-Enzyklopädie Wikipedia oder das freie Office-Paket Open Office. Die einzelnen User korrigieren sich gegenseitig und verbessern so die Qualität der Artikel oder der Software immer weiter.
Diese Idee lässt sich hervorragend auf die Digitalisierung im Immobilienbereich übertragen, wie die Praxis zeigt. Ein Beispiel dafür sind IT-Lösungen für Immobilien-Asset-Manager, die – analog zu Wikipedia – nach dem Community- Ansatz entwickelt und gemanagt werden. Was muss eine IT-Lösung im Real Asset Investment Management können? Sie muss den gesamten Lebenszyklus der Assets abbilden und sollte aus etablierten und miteinander gut kombinierbaren Software-Lösungen bestehen. Wichtig ist die Konfiguration und Ausprägung mit Blick auf die Anforderungen des Asset und Fondsmanagements. SAP, bison.box oder auch iX-Haus liefern zum Beispiel solche Lösungen. Je nach Bedarf sollten auch Produkte aus dem PropTech-Umfeld berücksichtigt werden.
Die IT-Lösungen können auf unterschiedliche Weise gemanagt werden. Eine mögliche Lösung ist das Community-Prinzip – auch Shared-Lösung genannt. Die Community ist die Gemeinschaft der User, die die IT-Lösung täglich nutzen. Entwickelt ein Anwender die Lösung an einer bestimmten Stelle weiter, können auch alle übrigen Kunden die Verbesserung sofort verwenden. Auf diese Weise werden aus Neuerungen und Verbesserungen Standards für alle Nutzer. Jeder Anwender hat die Möglichkeit, Ideen einzubringen. Unterm Strich wird so die Standardisierung im Management von Real Assets vorangetrieben und damit die Grundlage für effiziente digitale Geschäftsprozesse gelegt.
Was sind die Alternativen zum Community-Ansatz? Die erste Variante wäre das „Make“. Dabei entwickelt ein Immobilien-Asset-Manager seine digitale Infrastruktur in Eigenregie mit eigener Programmierung, eigener IT und eigener Software-Lösung. Der Vorteil: Der Manager kann seine individuellen Vorstellungen verwirklichen. Der große Nachteil dagegen ist, dass der Aufwand und die Kosten für ein einzelnes Unternehmen sehr hoch sind.
Eine weitere alternative Möglichkeit ist der „Buy-Ansatz“, also der Kauf einer fertigen Software-Lösung. Diese muss dann durch die nutzende Firma individuell angepasst (Customizing) und an die eigenen Ansprüche adaptiert werden.
Trotz der Alternativen sind die Vorteile des Community-Modells überzeugend: Der erste große Vorteil ist, dass es erfahrungsgemäß fachlich bessere Lösungen generiert. Der Grund: Da verschiedene Nutzer mit unterschiedlichen Perspektiven an der Lösung einer Frage arbeiten, wird in der Regel bereits im Vorfeld einer Investition eine tragbare und allseits akzeptierte Lösung gefunden. Anders ausgedrückt: Eine Gruppe von Nutzern ist klüger als ein einzelner.
Der zweite große Vorteil des Community-Modells ist, dass es günstiger und effizienter ist. Dies zeigt sich insbesondere bei neuen regulatorischen Vorgaben. Diese müssen durch die Community nur einmal umgesetzt werden. Sobald dies geschehen ist, können alle Nutzer die neue regulatorische Vorgabe erfüllen und müssen nicht jeweils aufwändig eine eigene Lösung implementieren.
Die Kostenvorteile zeigen sich ebenfalls beim Thema Beschaffung: Die Community bildet eine Einkaufsgemeinschaft, die Software-Lizenzen und Dienstleistungen von den Anbietern in großer Menge erwirbt. Es liegt auf der Hand, dass sich hierbei Größenvorteile beim Preis erzielen lassen.
Der dritte Vorteil der Community ist, dass diese sich fachlich zunehmend breit aufstellt. Das bedeutet, dass die IT-Lösung immer größere Bereiche abdeckt als die, die ein einzelner User selbst gegenwärtig nutzt. Dazu ein Beispiel: Auch wenn ein Asset Manager gegenwärtig nur Büroimmobilien im Bestand hat, ist eine Community-basierte IT-Lösung dennoch in der Lage, Wohn- oder Handelsimmobilien abzubilden. Wenn der Büroimmobilien-Manager in eine neue Nutzungsart einsteigen möchte, ist IT-seitig bereits alles vorhanden. Änderungen oder Neuausrichtungen von Strategien werden auf diese Weise durch die IT nicht mehr verlangsamt.
Neben diesen Vorteilen haben IT-Lösungen, die nach dem Community-Gedanken gemanagt werden, auch einige Nachteile. Am häufigsten wird kritisiert, dass individuelle Lösungen für einzelne Nutzer nicht mehr – oder nur eingeschränkt – möglich sind. Für Unternehmen und User ist es daher wichtig, ihre Haltung kritisch zu überprüfen und den verbreiteten Wunsch nach größtmöglicher Individualität zugunsten zukunftsfähiger, effizienter Lösungen aufzugeben. Teilweise nimmt jedoch auch die Geschwindigkeit bei Anpassungen ab. Dies liegt naturgemäß daran, dass Abstimmungsprozesse – in Abhängigkeit von der Größe der Community – generell länger dauern können.
Gastbeitrag von Marko Broschinski, Managing Director, easol
erschienen in der Immobilienwirtschaft am 9. September 2019
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